Bildquelle: TVB St. Anton am Arlberg; Patrick Bätz
Europameister Bastian "Basti" Grau gibt drei Tipps für Pickleball-Anfänger – und wie sich erfahrene Spieler auf Turniere vorbereiten können
Bastian ("Basti") Grau ist europaweit die Nummer zwei im Herren-Doppel, hat mit seinem Spielpartner Felix Grunert im Februar 2023 die European Open in Rota (Spanien) gewonnen und im Dezember 2023 die Goldmedaille bei der World Pickleball Championship Series (WPC) European Championship Finals im österreichischen Arlberg.
Auf Instagram haben wir alle Infos zum Event und die Gewinner für Dich zusammengefasst:
Klick.
Im Interview mit uns erzählt Basti, wie er zum Pickleball gekommen ist – und was wir in Deutschland unbedingt ändern müssen, damit sich der Sport weiterentwickelt.
Der Europameister gibt drei Tipps, worauf Pickleball-Anfänger achten sollten, um ihr Spiel zu verbessern. Und: So können sich fortgeschrittene Spieler auf Turniere vorbereiten. Los geht’s!
Frage: Ihr seid frisch mit der Goldmedaille im Gepäck nach Hause gekommen. Wie waren Eure Erfahrungen bei den European Finals?
Das Turnier war ein absolutes Highlight für uns, denn es durften nur acht Teams dort antreten. Das bedeutet für uns: Wir hatten nur hochwertige Gegner und sehr gute Bedingungen. Felix und ich fahren nicht unbedingt wegen der Medaillen oder des Preisgeldes zu Turnieren – wir suchen vor allem gute Gegner und gute Spielbedingungen. Es ist in Deutschland noch immer schwierig, auf Top-Niveau zu spielen.
In England und Spanien ist die Spielerdichte schon viel besser. Die Matches in Österreich liefen wirklich knapp, es war für uns
Wahnsinn, dort zu gewinnen. Und nach dem Turnier sind wir mit den Schweden und anderen Spielern noch Ski gelaufen, das was eine echte Belohnung.
Frage: Wo steht Deutschland im europäischen Vergleich? Und wo müssten wir uns noch verbessern?
Wir hängen ehrlich gesagt weit hinterher – vor allem bei den Damen, die häufig nicht auf einem europäischen Top-Niveau mithalten können. Im Vergleich zu England, Schweden und Spanien haben wir gar keine Chance:
Die haben junge Spieler und auch viel mehr Damen, um Teams für verschiedene Anlässe zusammenzustellen. Ich muss schon in Schweden anfragen, um eine passende Mixed-Dame zu finden.
In den anderen Ländern gibt es auch schon viel mehr reine Pickelball-Felder und -Hallen, diese Infrastruktur fehlt bei uns noch komplett. Das liegt daran, dass es dort viel mehr Tennis-Hartplätze gab, die man schnell umrüsten konnte. Bei uns sind nur sehr wenige Tennishallen mit Hartplätzen ausgestattet. Und in Spanien beispielsweise kann man natürlich acht Monate im Jahr draußen spielen, hier deutlich kürzer.
Erst dachte ich, die vielen Sporthallen in Deutschland wären ein Vorteil – mittlerweile sehe ich das anders. Denn so dümpelt die ganze Entwicklung vor sich hin, keiner will investieren, denn es geht ja irgendwie.
Aber in den Hallen sind überall zig Linien eingezeichnet, man muss die kitchen abkleben und Anfänger verstehen zuerst gar nicht, welche Linie gilt.
Ich meine, wir brauchen kommerzielle Anbieter, die gute Bedingungen zur Verfügung stellen – und eben nicht nur an bestimmten Abenden, wenn die Sporthalle im Verein frei ist. Dann muss man zwar mehr Geld fürs Training bezahlen, hat dafür aber perfekte Bedingungen mit einem klar erkennbaren Feld.
Frage: Wann und wie bist Du zum Pickleball gekommen?
Ich komme aus der Leichtathletik, habe knapp zwölf Jahre Mittel- und Langstreckenlauf gemacht. Ich bin öfter bei den Deutschen Meisterschaften und einmal auch bei den Europameisterschaften mitgelaufen.
Dann habe ich ein Stipendium in den USA angenommen und bin auch dort gelaufen.
2017 merkte ich: Es tut alles weh, ich quäle mich nur noch fürs Team durch die ganze Sache.
Damals habe ich meine Laufschuhe weggeschmissen und ein halbes Jahr gar keinen Sport mehr gemacht.
Für ein Praktikum bin ich nach Atlanta gezogen und habe von Pickleball gehört.
2019 bin ich dort mit einem billigen Schläger zu einer Gruppe von Rentnern gestoßen und habe einfach nachgemacht, was die gespielt haben. Ich fand es sofort geil!
Als ich zurück nach Deutschland gekommen bin, habe ich dem Vorstand des LSC
Höchstadt, meinem Heimatverein, die Pickelball-Idee vorgelegt. Der hat zugestimmt und ganz schnell hatten wir zwei bis drei Badmintonfelder voll: In meinem Dorf mit etwa 100 Einwohnern
hat teilweise knapp ein Viertel der Leute Pickleball gespielt.
Frage: Wie ging es dann weiter?
Corona hat uns ausgebremst. Ich habe mir auf meinem Dachboden dann ein Skinny Single-Feld aufgesprüht (Bild siehe Instagram hier) und ein Netz aufgebaut.
Das habe ich Felix Grunert gezeigt, der ganz in der Nähe wohnt und bis dahin noch nicht gespielt hatte. Er kam zum Ausprobieren vorbei, fand es ganz gut und ist wieder nach Hause gegangen. Am selben Abend hat er mich wieder angerufen und wollte unbedingt nochmal zum Spielen vorbei kommen.Er hatte sich in der Zwischenzeit Pickleball-Videos angeschaut und war voll dabei! Wir haben bis spät in die Nacht gezockt.
Für uns war klar: Wenn wir in Europa spielen, dann aber richtig und kompetitiv.
Deshalb kämpfen wir immer noch darum, gute Trainingsbedingungen zu finden:
Wenn Felix und ich trainieren, spielen wir oft in einer Tennishalle bei uns in der Nähe in Herzogenaurach, kleben jedes Mal alle Linien selbst ab, bauen das Netz auf und reißen hinterher alle Linien wieder ab.
Fotos: TVB St. Anton am Arlberg; Patrick Bätz
Frage: Du arbeitest für den Hersteller Joola. Was beinhaltet das?
Ich habe im August 2023 meinen alten Job gekündigt, seit Oktober 2023 arbeite ich Vollzeit für Joola im Pickleball-Vertrieb als Spieler und im Büro. Die Aufgaben sind ganz vielfältig:
Ich betreue Händler, kümmere mich ums Spieler- und Turniersponsoring, bin für die Ausstattung bei Turnieren und Vereinen zuständig.
Ich habe ursprünglich Sportökonomie studiert, danach etwas ganz anderes gemacht. Aber Pickleball hat immer mehr Zeit eingenommen – und jetzt freue ich mich, es auch beruflich einsetzen zu können.
Frage: Welche drei Tipps hast Du zur Vorbereitung für Turnierspieler?
1.) Vorab im Training unbedingt verschiedene Drill-Übungen einbauen, die kann man auch stumpf jede Woche fünf Mal machen – nicht nur einfach spielen beim Training. Vor dem Start des Turniers machen wir uns fünf bis zehn Minuten ohne Ball und Schläger warm: Wir laufen, kreisen die Arme, machen leichte Ausfallschritte und Schwunggymnastik. Danach mögen wir die Pendel-Übung am Netz: Einer steht an der kitchen-Line, der andere bewegt sich von vorne nach hinten übers Feld und wieder zurück nach vorne und schlägt dabei immer in die kitchen.
2.) Kurz vor dem Start sind Volleys an der kitchen gut: Das macht wach und gibt ein gutes Gefühl für den Ball. Da muss man Routine reinbringen.
3.) Bei fortgeschrittenen Spielern macht es Sinn, mit einem festen Partner zu spielen. Es wird immer wichtiger, sich eine feste Feldhälfte auszusuchen und eine eigene Rolle für sich im Spiel zu finden.
Frage: Was sind drei typische Anfängerfehler, die man irgendwann loswerden sollte?
1.) Ich sehe viele, die sich keine Zeit für den Aufschlag nehmen. Ich sage immer: „Atme ein paar Mal durch, zähle im Kopf, lass Dir Zeit.“ Viele sind zu nervös oder hektisch beim Aufschlag.
2.) Anfänger versuchen häufig, einfach fest drauf zu ballern. Das braucht es beim Pickleball gar nicht. Es reicht oft, sicher in die kitchen zu treffen.
3.) Viele Anfänger schlagen einfach auf jeden Ball – aber das Feld ist irgendwann auch aus. Guckt Euch den Ball ganz genau an, Ihr müsst nicht jeden Ball spielen! Viele Bälle gehen hinten an der Grundlinie oder an der Seite aus.
Frage: Welcher Tipp von einem erfahrenen Spieler hat Dich weitergebracht?
Ich versuche, die Hüfte des Gegners zu attackieren. Aus der Position kann er nur retournieren, nicht selbst angreifen.
Auch einfach, aber immer noch effektiv: Ich versuche, die Vorhand des Gegners zu vermeiden und greife gezielt die Rückhandseite an.
Frage: Was macht für Dich den Reiz beim Pickleball aus?
Ich mochte Rückschlagsportarten schon immer, aber Tennis war nicht meins – das ist mir zu hart. Beim Pickleball ist der Aufschlag entschärft, man muss den nicht jahrelang üben.
Ich kann das auch mit meiner Schwester und meiner Mutter spielen. Ich sehe immer wieder Leute beim Pickleball, die vorher keinen Sport getrieben haben – man kommt einfach schnell rein.
Die Einfachheit des Sports, sofort loszulegen, ist faszinierend.
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